10 Jahre, 10 Interviews: Dominic Weiss
Die Smart Klima City Strategie Wien feiert 2024 ihren 10. Geburtstag! Doch was braucht es, damit eine Strategie Fuß fassen kann? Wie entsteht eine Strategie und wer schreibt sie? Was steckt hinter dem Begriff Smart City und wieso brauchen wir diese Strategie heute mehr denn je?
Wir nehmen das Jubiläum zum Anlass und blicken in unserer Reihe „10 Jahre, 10 Interviews“ auf die Anfänge und den Werdegang der Strategie – und natürlich in die Zukunft. Hier spricht Dominic Weiss über seinen Bezug zur Smart Klima City Strategie Wien. Aktuell ist er Geschäftsführer der UIV Urban Innovation Vienna GmbH, ab 1. Jänner 2025 Geschäftsführer der Wirtschaftsagentur Wien. Seine Hauptexpertise hat er in der multidisziplinären Entwicklung und Umsetzung urbaner Projekte und Systeme gesammelt, wobei soziale Inklusion, digitale Technologie und ökologische Nachhaltigkeit und deren Zusammenspiel immer die Schlüsselrolle spielen.
1. Rückblick und Meilensteine
Was waren die bedeutendsten Erfolge und Meilensteine der Smart City Initiative in den letzten 10 Jahren?
Ein bedeutender Erfolg und Meilenstein war mit Sicherheit der Gemeinderatsbeschluss der ersten Smart City Strategie, weil dieser die Basis und Legitimation für alles gelegt hat. Ich denke, dass wir hiermit Neuland betreten haben und sich die Stadt Wien erstmals themen- und bereichsübergreifend in diesem Ausmaß mit ineinander verschränkten Zielsetzungen beschäftigt und auch committet hat. Diese ganzheitliche Betrachtung und Zielformulierung halte ich heute noch immer für etwas Herausragendes.
2. Inspirierende Projekte
Gibt es ein Projekt aus den letzten Jahren, das Sie besonders begleitet, inspiriert oder beeindruckt hat? Warum?
Ein Leuchtturmprojekt war sicherlich Smarter Together: Hier ist es gelungen, den Begriff Smart City in zahlreichen unterschiedlichen und doch zusammenhängenden Bereichen umzusetzen und dafür auch notwendige Fördermittel zu lukrieren.
Generell würde die Smart Klima City Wien in dieser Form wohl nicht existieren, wenn wir in den Anfängen nicht mit professionellem Projektmanagement-Know-how dieses damals neue Thema kofinanzieren hätten können. Etwas so Neuartiges anzugehen und auf den Boden zu bringen, braucht auch immer entsprechende Ressourcen. Damals wie heute. Wir hatten vor etwas mehr als einem Jahrzehnt den richtigen Riecher und die richtigen Kompetenzen und auch den Mut und den städtischen Rückhalt, um uns dem Thema Smart City anzunehmen und entsprechende Fördermittel zu holen, die es ermöglicht haben, den ganzen Prozess ordentlich aufzusetzen – und dabei ist auch etwas Ordentliches entstanden!
3.Technologische Fortschritte
Wie haben technologische Innovationen die Entwicklung und Umsetzung der Smart City Strategie beeinflusst? Wie werden sie es in Zukunft tun?
Das ist eine schwierige Frage, weil die Wiener Smart Klima City Strategie im Vergleich zu anderen bewusst keinen singulären technischen Fokus hat. Sie war und ist jedoch ein Push-Faktor für viele daran anknüpfende Sektoralstrategien, die die von der Smart Klima City Strategie gesetzten Vorgaben und Erwartungshaltungen erfüllen müssen. Genau dieser hohe Anspruch findet sich heute unter anderem in der Digitalen Agenda der Stadt Wien, in der KI-Strategie und auch in der Digitalen Bildungsstrategie.
Dass wir zum Beispiel digitale Endgeräte für alle Schüler*innen der Stadt Wien im Rahmen der Umsetzung der Digitalen Bildungsstrategie ausrollen konnten, führe ich auch darauf zurück, dass wir bereits vor über 10 Jahren die Themen Bildung und Digitalisierung in der Smart City Strategie miteinander verknüpft haben.
4. Bürger*innenbeteiligung
Inwiefern konnten die Bürger*innen in den letzten zehn Jahren in die Gestaltung der Smart Klima City Wien einbezogen werden?
Zum einen gab es gerade am Beginn in der Planungswerkstatt bei Tagen der offenen Tür die Möglichkeit zur Beteiligung für alle Bürger*innen. Wir waren auch von Anfang an online partizipativ präsent: Social Media, Website und Co. Das ist heute selbstverständlich, damals gehörten wir damit jedoch zu den Ersten.
Zum anderen hat der partizipative Ansatz „für den Menschen und mit den Menschen“ das frühere Paradigma „für den Menschen, aber meist ohne den Menschen“ abgelöst. In den letzten 10 Jahren haben sich viele Dinge entwickelt, wie etwa die partizipativen Wiener Klimateams. Der Begriff Smart City bietet die Möglichkeit, sich internationale gelungene Maßnahmen anzusehen und dann in Wien zu implementieren.
5. Herausforderungen und Lösungen
Welche großen Herausforderungen mussten Sie auf dem Weg zur Smart Klima City überwinden und wie wurden bzw. werden diese gemeistert?
In den ersten Jahren war die größte Herausforderung, eine tragfähige Strategie mit konkreten Zielen für Alle zu schreiben – eine Strategie, die hohe Ansprüche erfüllt und gleichzeitig von allen Akteuren und auch vom Wiener Gemeinderat mitgetragen wird. Auch bei der Aktualisierung anlässlich der Klimaneutralität bis 2040 war es notwendig, dass die durchaus anspruchsvollen Ziele gerade auch von jenen unterstützt werden, die sie letzten Endes umsetzen und finanzieren müssen. Dieses Übersetzen und Managen zwischen Strategie und operativer Durchführung ist essentiell. Wie wird sichergestellt, dass die gesetzten Ziele auch tatsächlich von allen verfolgt werden?
Die Antwort: mit Konsequenz und Vehemenz aber auch mit belastbaren Daten und Fakten! Das hat die Smart Klima City Wien besonders gemacht – es gab immer Personen, die sich darum gekümmert haben und dran geblieben sind und wertvolle Instrumente (wie Monitoring-Berichte, Austauschformate, Steuerungsgremien, Governance-Strukturen) erarbeitet haben. Das hat den Erfolg der Strategie gewährleistet.
6. Internationale Zusammenarbeit
Welche Rolle spielte die (internationale) Zusammenarbeit und der Austausch mit anderen Städten in der Entwicklung von Wien?
Gerade am Anfang der Smart City Strategie feierte das Thema smarte Stadt international seinen Höhepunkt. Hier konnte sich Wien in großen europäischen Forschungsprojekten präsentierten und vernetzen. Dadurch gab es zum einen zusätzliche Ressourcen und Wissensgenerierung, die Projekte weitergebracht haben.
Durch die hohe Sichtbarkeit und Einzigartigkeit der Stadt Wien sowie unseres gesamtheitlichen Ansatzes hatten wir Gelegenheiten, uns zu mit anderen Städten zu vergleichen bzw. gemeinsam an den gleichen Problemen und Lösungen zu arbeiten. Viele Städte haben Wien besucht und umgekehrt. Dieser Benchmark hat uns auch bei unserer thematischen Fokussierung und der Schärfung der Wiener Identität geholfen. Unser Ansatz wurde regelmäßig bestätigt, gleichzeitig wurden wir auch laufend gezwungen, klar auf den Punkt zu bringen, was genau wir machen. Das habe ich als sehr wertvoll empfunden.
7. Persönlicher Ausblick
Was motiviert Sie persönlich, an der Weiterentwicklung der Smart Klima City Wien mitzuarbeiten, und was wünschen Sie sich für die Zukunft dieser Initiative?
Jede Zeitspanne hat ihre Themen und Schwerpunkte. Je nachdem, wer gerade politische Ämter innehat, wie die aktuelle Gemütslage in der Gesellschaft ist, welche internationalen und nationalen Situationen herrschen, müssen Städte und deren Akteur*innen Prioritäten setzen. Aktuell ist zum Beispiel die Klimaneutralität ein starker Akzent.
Die Smart Klima City Strategie stellt in ihrer holistischen Betrachtungsweise sicher, dass auch andere für den Standort relevante Bereiche nicht vernachlässigt werden. Sie ist aufgrund vieler Ziele in unterschiedlichsten Bereichen die Legitimation dafür, Aufträge ausgewogen zu verteilen und verschiedene Themen gleichzeitig mit einem sehr hohen Anspruch weiterzubringen. Ich wünsche mir, dass diese Ganzheitlichkeit aber euch der Anspruch an Exzellenz auch in Zukunft nicht aus den Augen verloren wird.
8. Visionäre Zukunftsbilder
Wenn Sie einen Tag in der Smart Klima City Wien im Jahr 2034 erleben könnten, wie würde dieser Tag aussehen?
Ich sehe keine großen Brüche von heute auf morgen. Stadttransformation ist ein steter Prozess, so wie Kindern beim Aufwachsen zuzusehen. Da fällt einem auch irgendwann auf, wie groß sie plötzlich sind. So wird das auch mit einer smarten Stadt sein. Wenn wir genau hinschauen, werden wir mehr sanierte Gebäude, Grünflächen, Fahrradfahrende und Elektroautos sehen. Die Erwartung sollte aber nicht sein, dass die gewohnte Stadt nicht mehr erkennbar ist. Es geht vielmehr um systemrelevante Veränderungen, auch unter der Oberfläche sowie innovative, ressourcenschonende und reibungslose Prozesse im Hintergrund, wie etwa digitale Services und erneuerbare Energieanlagen. Im Idealfall bekomme ich die als Bürger*in oft gar nicht mit.
9. Kreative Lösungen
Können Sie ein Beispiel nennen, bei dem ein kreativer oder unkonventioneller Ansatz zu einer besonders erfolgreichen Lösung für ein urbanes Problem geführt hat?
Hier möchte ich den Vienna Geospace Hub nennen, denn mit diesem Projekt traut sich die Stadt Wien zu, mit Satellitendaten aus dem europäischen Space Programm zum Beispiel Gebäudebewegungen mitten in Wien im Millimeterbereich zu messen und die Eignung der Satellitendaten mit in Situ Daten der MA 41 – Stadtvermessung abzugleichen (Projekt RAVEN, U-Bahn-Baustelle neben dem Rathaus). Ein mutiger und innovativer neuer Ansatz für eine Stadtverwaltung.
Satellitendaten sind vorhanden und werden für solche Zwecke in einem urbanen Gebiet noch kaum genutzt. Die Aktivitäten vom Vienna Geospace Hub erscheinen heute unkonventionell, in 10 Jahren wird die Verwendung von satellitenunterstützten KI-Anwendungen jedoch massiven Einzug in bestehende Systeme gefunden haben. Und wir sind hier in Wien mal wieder Vorreiter!
10. Nachhaltigkeitstrends
Gibt es einen aufkommenden Trend oder eine neue Technologie im Bereich Nachhaltigkeit, die Sie besonders begeistert und die Sie sich für Wien in der Zukunft wünschen?
Es wird sicherlich Bereiche geben, wo technische Innovationen uns mannigfaltig nach vorne bringen werden. Aber wenn es um nachhaltige Technologien geht, muss man sagen: Es gibt alle notwendigen Technologien schon auf dem Markt. Photovoltaik, Wärmepumpen, Komponenten für Elektromobilität – das ist alles schon da. Zu sagen, dass neue noch nicht entwickelte Technologien für eine nachhaltige Transformation unabdingbar notwendig sind, ist manchmal auch nur eine Ausrede. Es scheitert oft nicht an der Technologie, sondern an anderen Punkten: Bürokratie, Legislative, Motivation, Reformwille. Hier wünsche ich mir mehr Mut.
Danke für das Gespräch!
Das Interview ist auch auf dem Blog der Stadtentwicklung nachzulesen: https://blog.stadtentwicklung.wien.gv.at/10_jahre_smart_city/
Dominic Weiss ist in unterschiedlichen Funktionen jahrelanger Wegbegleiter der Smart Klima City Wien.