10 Jahre, 10 Interviews: Monika Unterholzner

Die Smart Klima City Strategie Wien feiert 2024 ihren 10. Geburtstag! Doch was braucht es, damit eine Strategie Fuß fassen kann? Wie entsteht eine Strategie und wer schreibt sie? Was steckt hinter dem Begriff Smart City und wieso brauchen wir diese Strategie heute mehr denn je?

Wir nehmen das Jubiläum zum Anlass und blicken in unserer Reihe „10 Jahre, 10 Interviews“ auf die Anfänge und den Werdegang der Strategie – und natürlich in die Zukunft. Aus diesem Anlass sprachen wir mit Monika Unterholzner. Sie führte von 2017 bis 2023 die Wiener Lokalbahnen GmbH und ist seit 1. Jänner 2024 stellvertretende Generaldirektorin der Wiener Stadtwerke.

1. Rückblick und Meilensteine

Was waren die bedeutendsten Erfolge und Meilensteine der Smart City Initiative in den letzten 10 Jahren?

Wien hat sich mit der Smart City Rahmenstrategie vor zehn Jahren selbst den Auftrag gegeben, die Stadt zu einer nachhaltigen, fortschrittlichen und lebenswerten Stadt zu transformieren. Als Wiener Stadtwerke-Gruppe unterstützen wir diese Entwicklung und Zielsetzungen jeden Tag mit viel Innovationskraft und Leidenschaft, mit großen Zukunftsprojekten und hohen Investitionen. Wir sorgen dafür, dass das Leben in unserer Metropole funktioniert – und das auch noch für künftige Generationen. Daher war für mich die stärkere Verankerung des Themas Klimaschutz in der Smart City Rahmenstrategie im Jahr 2020 – mit dem klaren Ziel der Klimaneutralität 2040 – ein wichtiger Meilenstein der letzten zehn Jahre. Diese Manifestierung führt uns allen dieses klare Ziel vor Augen, an dem wir uns orientieren und darauf hinarbeiten.

2. Persönliche Highlights

Welches Erlebnis oder welche Begegnung im Rahmen der Smart City Initiative hat Sie persönlich am meisten berührt oder inspiriert?

In meiner Funktion und durch die Mitwirkung in diversen Gremien der Smart Klima City Wien habe ich immer wieder sehr inspirierende Kontakte mit Menschen, bei denen ich den starken Willen spüre, die Stadt in eine positive Richtung zu lenken und zu entwickeln. Das bereichert und motiviert mich sehr. Ebenso zu sehen, wie es einer Großstadt gelingen kann, alle relevanten Player – von der Stadtpolitik über die Wissenschaft und Wirtschaft bis hin zur Gesellschaft – auf konkrete Ziele einzuschwören und sie auf diesem Weg mitzunehmen. Dieses gemeinschaftliche, kooperative Vorgehen und an einem Strang zu ziehen, motiviert enorm. Smart Klima City geht schlussendlich nicht von allein und ist ein täglicher Kraftakt.

3. Herausforderungen und Lösungen

Welche großen Herausforderungen mussten Sie auf dem Weg zur Smart Klima City überwinden und wie wurden bzw. werden diese gemeistert?

Wir befinden uns nach wie vor auf dem Weg zur Smart Klima City und haben noch einiges vor uns. Die jährlichen Auszeichnungen und die internationale Beachtung sind gut und wichtig, aber auch nur ein Jahreszeugnis. Daher liegt es an uns allen in der Stadt, dieses Niveau aufrechtzuerhalten. Denn Wien steht weiterhin vor großen Herausforderungen, aber – und das ist mir wichtig zu betonen – vor ebenso großen Chancen. Wir haben es mit einem demografischen Wandel zu tun, die Stadt wächst stark, neue (digitale) Technologien geben den Takt vor und prägen unser Leben und allen voran steht der Klimawandel, der unsere größten Anstrengungen erfordert. Um das Ziel der Erreichung der Klimaneutralität im Jahr zu schaffen, brauchen wir Innovationen, das Beschreiten neuer Wege, die Akzeptanz und Nutzung neuer Technologien und auch entsprechende Rahmenbedingungen.

4. Inspirerende Projekte

Gibt es ein Projekt aus den letzten Jahren, das Sie besonders begleitet, inspiriert oder beeindruckt hat? Warum?

Gott sei Dank gab und gibt es sehr viele Projekte von unterschiedlicher Seite, die essenziell und beeindruckend sind. Eines, was mich aber besonders beindruckt, ist Wiens größtes Klima- und Zukunftsprojekt, das Linienkreuz U2xU5, mit welchem das Zentrum Wiens mit dem Stadtrand in allen Richtungen verbunden wird. Nach der Fertigstellung werden jedes Jahr mehr als 300 Millionen Fahrgäste zusätzlich mit U-Bahn, Bim und Bus ihr Ziel erreichen können, es verkürzen sich Fahrzeiten und stark frequentierte Öffi-Linien werden entlastet. So wird Wien seinen bereits tollen Modal-Split noch weiter in Richtung klimafreundliche Mobilität verändern und die Leistungsfähigkeit des Wiener Öffi-Netzes wächst enorm. Das ist gut so, denn ein leistungsfähiges U-Bahnnetz ist die ökologische Lebensader unserer Stadt.

5. Technologische Fortschritte

Wie haben technologische Innovationen die Entwicklung und Umsetzung der Smart Klima City Strategie beeinflusst? Wie werden sie es in Zukunft tun?

Neue Technologien sind schon seit jeher der Nährboden und Motor für Innovationen. Wenn wir daran denken, welche enormen Fortschritte es die letzten Jahre bei Energietechnologien gab, beispielsweise im Bereich der Speicher, Photovoltaik, Geothermie oder Wasserstoff aber auch im Bereich der Mobilität und alternativen Antrieben. Die Digitalisierung mit all ihren Facetten wie Automatisierung, Internet of Things, Künstliche Intelligenz oder Robotics gibt diesen zuvor skizzierten Entwicklungen noch einmal ordentlich Schub. Wenn wir heutzutage auf die Stadt blicken, so sehen wir tausende Stromtankstellen, leben und arbeiten vielfach in intelligenten Gebäuden, wählen aus einem breitgefächerten Mobilitätsangebot, nutzen Plattformen wie WienMobil für Routing und Tickets, erledigen viele unserer Behörden- und Verwaltungswege komfortabel online, kommunizieren unsere Anliegen mit Chatbots und und und. Die Digitalisierung wird auch weiterhin Triebfeder für neue Lösungen sein, die wir in der Smart Klima City Wien in Zukunft genießen werden und die unseren Komfort und unsere Lebensqualität erhöhen werden.

6. Bürgerbeteiligung

Inwiefern konnten die Bürger*innen in den letzten zehn Jahren in die Gestaltung der Smart City Klima Wien einbezogen werden?

Immer wieder kommt mir zu Ohren, dass viele Menschen gerne ihren Beitrag leisten und in die Entwicklung und Gestaltung der Klimawende eingebunden werden wollen, aber oftmals nicht die Möglichkeit haben. Wenn wir angenommen an Mieter*innen denken, die nicht so einfach die Möglichkeit haben, selbst eine Photovoltaikanlage zu installieren. Zum Glück gibt es tolle partizipative Angebote, wie beispielsweise die Bürger*innen-Solakraftwerke von Wien Energie. Dabei können sich Interessierte aktiv an der Klimawende und an der Smart Klima City Entwicklung beteiligen, Anteile an großen Photovoltaik-Anlagen erwerben und vom produzierten Sonnenstrom profitieren. Und die Nachfrage ist sehr hoch. In diesem Jahr wurde das insgesamt bereits 30. Bürger*innen-Solarkraftwerk am Dach einer Busgarage der Wiener Linien in Leopoldau eröffnet.

7. Smart Klima City Wien erleben

Haben Sie einen Tipp für Wiener*innen und Besucher*innen, die die Smart Klima City Wien erleben möchten? Wo wird die Smart Klima City Wien Ihrer Meinung nach im Stadtleben besonders sichtbar?

Am besten zu Fuß gehen und die Vielfalt und Schönheit der Stadt erkunden, dabei Wege nehmen, die man noch nicht kennt, um Neues zu entdecken. Man wird dabei vieles sehen, das in Summe die Smart Klima City ergibt. Doch vermutlich wird es einem gar nicht so auffallen. Denn es ist für uns doch irgendwie selbstverständlich geworden. Wir sehen auf den Straßen das bunte Wien, sichere öffentliche Plätze, viele Menschen die mit Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind, noch mehr die sich im Minutentakt mit Straßenbahn, Bus und U-Bahn bewegen, wir sehen wunderschöne Architektur, viel Grünraum, verkehrsberuhigte Zonen, Photovoltaik auf den Dächern und an den Fassaden, und vieles sehen wir nicht da es sich unter der Erde abspielt – die zuverlässige Infrastruktur, die all das ermöglicht.

8. Nachhaltigkeitstrends

Gibt es einen aufkommenden Trend oder eine neue Technologie im Bereich Nachhaltigkeit, die Sie besonders begeistert und die Sie sich für Wien in der Zukunft wünschen?

Ich sehe die Kreislaufwirtschaft als besonders wichtiges Thema der Zukunft an, da wir durch kreislauffähiges Denken und Handeln unser Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln können. In der Wiener Stadtwerke-Gruppe arbeiten wir deshalb aktuell an einer gruppenweiten Kreislaufwirtschaftsstrategie. Bereits umgesetzte oder in Umsetzung befindliche Leuchtturmprojekte sind zum Beispiel das Recycling von Phosphor und anderen Wertstoffen aus Klärschlamm, das Projekt „Waste2Value“ bei dem Reststoffe zu umweltfreundlichen Kraftstoffen umgewandelt werden oder auch der Einsatz von Recyclingbaustoffen bei Bauprojekten. Auch andere „grüne“ Technologien wie Carbon Capture sind bereits auf unserem strategischen Radar.

9. Visionäre Zukunftsbilder

Wenn Sie einen Tag in der Smart Klima City Wien im Jahr 2034 erleben könnten, wie würde dieser Tag aussehen?

Als Wiener Stadtwerke haben wir in diesem Jahr eine Studie „Zukunft Wien“ durchgeführt und Menschen in Wien gefragt, welche Wünsche sie an ein Wien im Jahr 2040 haben. Und ich muss sagen, dass ich nahezu alle der geäußerten Wünsche auch persönlich teile. Ich möchte ebenso wie die Befragten allgemein viel Grün in der Stadt, bestenfalls keinen motorisierten Individualverkehr, sozialen Wohnbau, öffentliche Räume für Begegnungen, eine umweltfreundliche Energieversorgung und ein öffentliches Mobilitätsangebot, das mich auch zuverlässig bis an den Stadtrand und darüber hinaus bringt.

Auf einen konkreten Tag im Jahr 2034 bezogen: Ich werde 2034 schon in Pension sein, sodass ich die hohe Lebensqualität hoffentlich gesund und mit Gelassenheit genießen kann. Ich werde morgens entspannt aufstehen, mein Zuhause ist dank umweltfreundlicher Fernwärme wohlig warm, in der Zeitung lese ich davon, dass Wien nach wie vor noch die lebenswerteste Stadt ist, ich packe mich zusammen und schwinge mich auf mein Wien Mobil Rad Richtung U-Bahn Station, treffe in der Innenstadt meine Freundin beim Cafè, wir plaudern über altvergangene Phänomene wie TikTok, mein KI-Assistent am Smartphone weist mich darauf hin, dass ich im Kühlschrank nur mehr etwas Milch habe, und diese Menge nicht für das bereits geplante Abendessen für meine Familie reichen wird und bestellt automatisch Milch nach, die ich in meiner WienBox am Nachhauseweg komfortabel abhole. Am Abend nach dem Essen lese ich auf der Couch gemütlich ein Buch, schaue beim Fenster hinaus auf spielende Kinder auf autofreien Straßen und merke abermals, dass wir wirklich in einer schönen smarten Stadt leben.

10. Persönlicher Ausblick

Was motiviert Sie persönlich, an der Weiterentwicklung der Smart City Klima Wien mitzuarbeiten, und was wünschen Sie sich für die Zukunft dieser Initiative?

Ich bin davon überzeugt, dass es keine Alternative als das konsequente Dranbleiben am bisherigen Weg gibt. Wir entscheiden jetzt in der Gegenwart über die Zukunft unserer Kinder, Enkelkinder und aller künftigen Generationen und ob diese in einer lebens- und klimafreundlichen Stadt leben werden oder nicht. Wir legen jetzt mit unseren langfristigen Investitionen und Projekten den Grundstein für die Energieversorgung und Mobilität der Zukunft. Und das sehe ich als große Verantwortung aber auch als Chance. Und ich bin eine, die Chancen auch gerne nutzt 😊

Danke für das Gespräch!

Monika Unterholzner, stellvertretende Generaldirektorin der Wiener Stadtwerke