Portrait des Monats: Stadtökologie, Umwelt & Wasser
Andreas Gugumuck ist Initiator des Projekts Zukunftshof in Rothneusiedl. Als Stadtlandwirt und Schneckenzüchter möchte er auch aktiver Stadtgestalter sein und setzt sich für eine Essbare Stadt Rothneusiedl ein. Im Interview erzählt er vom Zukunftshof und was er unter der Smart Klima City Wien versteht.
Der Zukunftshof Rothneusiedl ist aus dem ehemaligen Haschahof in Favoriten entstanden und befindet sich in einem spannenden Stadtentwicklungsbiet im Süden Wiens. Hier bildet sich auf insgesamt 124 Hektar ein Pionier-Stadtteil für Klimaschutz und Klimaanpassung, der den ländlichen Charakter mit einer neuen Urbanität kombiniert.
Das Team des Zukunftshofs konnte sich im Rahmen einer Ausschreibung mit seinem Konzept durchsetzen. Er ist ein Leuchtturmprojekt für urbane Lebensmittelproduktion und dient dem gesamten Grätzl als Treffpunkt für Nachbarschaft, Kunst und Kultur. Im Zentrum aller Tätigkeiten steht eine visionäre Stadt-Landwirtschaft – partizipativ, zirkulär, ressourcenschonend und klimaneutral. Unterschiedliche Veranstaltungsformate zum Thema schaffen Bewusstsein, vermitteln Wissen und laden zum Diskutieren und Mitmachen ein.
Was verstehst du unter einer Smart Klima City?
Mit einer smarten City verbinden viele erstmal eine technische Angelegenheit. Ich sehe jedoch vielmehr die soziale Innovation im Fokus. Es geht um Teilhabe und Selbstverwirklichung! In der Zivilgesellschaft gibt es so viel Potenzial, das eine smarte Stadt nutzen kann: Wissen, Kontakte und Ressourcen. Dafür braucht es einerseits Personen, die sich gesellschaftlich engagieren und etwas (zurück-)geben wollen. Und andererseits braucht es Räume, die genau das ermöglichen. Wo Sachen ausprobiert werden können, um zu zeigen, was durch Kooperation alles machbar ist. Der Zukunftshof Rothneusiedl ist so ein Reallabor. Denn Wien ist auch unsere Stadt! Wir wollen als Bewohner*innen aktive und selbstbewusste Stadtgestalter*innen sein. Wir wollen Stadtkonsument*innen zu Stadtproduzent*innen motivieren. Die Zivilgesellschaft gemeinsam mit der Wiener Stadtverwaltung: Im Zukunftshof treffen sich Bottom-Up und Top-Down und bewirken im Kleinen ganz Großes!
Was begeistert dich an deinem Projekt / deiner Initiative?
Wir zeigen hier, wie die Stadt der Zukunft in Rothneusiedl aussehen soll. Das heißt unter anderem, dass Wohnbau und Landwirtschaft sich nicht ausschließen, sondern im Gegenteil gemeinsam gedacht werden können. Und das auf historischem Boden, denn Landwirtschaft hat hier im Süden Wiens langjährige Geschichte. Zum Beispiel die Wiener Siedler*innenbewegung vor 100 Jahren, bei der sich viele Wiener*innen in selbst errichteten Behausungen am Stadtrand selbst versorgt haben. Diese lokale, urbane Lebensmittelproduktion greifen wir hier und jetzt in der Essbaren Stadt Rothneusiedl wieder auf! Damit fördern wir gleichzeitig eine eigentlich alte und jetzt wieder aktuelle Form des Wirtschaftens im Sinne der Ressourcenschonung: Stichwort Circular und Shared Economy.
Was willst du damit bewirken? Wie trägst du zu „deiner“ Smart Klima City bei?
Ich bin selbst auf unserem 300 Jahre alten Gugumuck-Hof hier in Rothneusiedl aufgewachsen und Kreislaufwirtschaft war für mich selbstverständlich und ganz normal. Nach vielen Jahren mit rein technischen Lösungsversprechungen sehen wir heute wieder, dass die Natur schon viele sinnvolle Lösungen bietet. Gemeinsam mit Wissenschaft, Gesellschaft, Stadtverwaltung und unseren Produzent*innen erforschen wir in diversen Projekten, wie man diese am besten nutzen und verschiedene Kreisläufe verknüpfen und schließen kann.
Als Anlaufpunkt im Grätzl möchten wir das natürlich beleben, die lokale Wertschöpfung in Rothneusiedl und somit auch den sozialen Zusammenhalt stärken. Das wirkt sich wieder positiv auf die Gesellschaft und Wirtschaft von morgen aus: Ressourcen müssen nicht doppelt oder dreifach vorhanden sein, wenn wir sie gemeinsam nutzen, teilen, wiederverwenden und weiterverwerten.
Am Zukunftshof machen wir’s vor: Alle Produzent*innen haben ihre eigene Marke, aber wir teilen uns Kühlhäuser, Lagerhallen und Personal. Der Abfall vom einen ist der Rohstoff für den anderen – eine essbare, kreislauffähige, klimaneutrale Musterstadt Rothneusiedl!
Wenn du dir in dieser Hinsicht etwas wünschen könntest, was wäre das?
Ich wünsche mir, dass der Zukunftshof Rothneusiedl auch von der Stadt Wien noch mehr als Reallabor genutzt wird und eine Vorbildfunktion ausüben kann. Wir befinden uns im letzten großen Stadtentwicklungsgebiet in Wien. Hier können wir uns austoben, forschen, experimentieren und so ein Beispiel mit internationaler Strahlkraft schaffen. Weitere Fragen könnten auch sein: Wie funktioniert Geothermie in diesem Bereich? Wie kann auf Zwischengrün (Anm.: Grünflächen zwischen Gebäuden) Landwirtschaft betrieben werden? Wie kühlen wir durch intensive Dachbegrünung und das Schwammstadt-Prinzip Gebäude?
Für Innovation braucht es Mut – und oft auch viel Durchhaltevermögen :)
Danke für das Gespräch!
Als Initiator des Projekts begrüßt Andreas Gugumuck regelmäßig interessierte Besucher*innen bei verschiedenen Veranstaltungen im Zukunftshof Rothneusiedl und lädt zum Staunen, Lernen, Mitmachen und Diskutieren ein.