Portrait des Monats: Mobilität & Verkehr

Magdalena Bürbaumer ist Raumplanerin und arbeitet an der TU Wien am Forschungsbereich Verkehrssystemplanung (kurz MOVE). Seit Sommer 2021 koordiniert sie das Forschungsprojekt aspern.mobil LAB und beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit dem laufenden Betrieb von Mobilitätslaboren, Transformationsprozessen im Mobilitätsbereich und dem Transfer von Wissen.

Das aspern.mobil LAB ist ein Raum für Innovation, in dem Wissenschaft, Verwaltung und Unternehmen gemeinsam mit Bewohner*innen einen Beitrag zur Entwicklung einer nachhaltigen urbanen Mobilität leisten. Ziel des aspern.mobil LABs ist es, im außergewöhnlichen Entwicklungsgebiet von aspern Seestadt eine neue Mobilitäts- und Innovationskultur zu etablieren und zu unterstützen. Seestädter*innen, lokale Stakeholder, Politik und Akteur*innen aus Forschung, Entwicklung und Wirtschaft denken, entwickeln und handeln hier auf gleicher Augenhöhe.

Was verstehst du unter einer Smart Klima City?

Smart Klima City nimmt die Herausforderung der Klimakrise ernst, sie darf aus meiner Sicht kein Instrument des Stadtmarketings sein. In ihrem Kern liegt eine kluge, vernetzte Stadtplanung, die es schafft, unterschiedliche Sektoren zusammenzudenken und miteinander zu kombinieren. Maßgebend sind Lösungs- und Umsetzungsorientierung. Dabei spannt sich das Spektrum von Digitalisierung über die Aktivierung von Wissen bis hin zur Wiederentdeckung bewährter, ressourcenschonender Ansätze aus der Vergangenheit.

Smart Klima City hat für mich größeres Potential, wenn sie als gemeinsames Projekt aller Menschen in Wien verstanden wird. Dementsprechend ist sie in eine Kommunikations- und Beteiligungskampagne eingebettet, um Menschen abzuholen, zu informieren aber auch einzubinden und Gestaltungsspielraum zu übergeben. Und: Klimagerechtigkeit muss soziale Gerechtigkeit mitdenken.

Was begeistert dich an deiner Arbeit und deinen Projekten? Wieso machst du das, was du tust, gerne?

Im Mobilitätsbereich wurden in den letzten Jahrzehnten zu viele Ressourcen verbraucht – um eine lebenswerte Zukunft zu erhalten, ist eine rasche Verhaltensänderung notwendig. Ein spannendes Momentum also, um in diesem Bereich zu forschen. Eine neue Mobilitätskultur braucht aus meiner Sicht Voraussetzungen, die durch die Öffentliche Hand geschaffen werden (z.B. Öffentlicher Verkehrsinfrastruktur, sozial verträgliche Preisgestaltung, etc.) aber auch individuelle Verhaltensänderung. Im aspern.mobil LAB liegt unser Fokus auf dem individuellem Verhalten: wir möchten Menschen einbinden, die Mobilitätswende mitzugestalten und im Quartier genau hinzuschauen, wo die Herausforderungen liegen.

Ziel des aspern.mobil LABs ist Wissen zu nachhaltigen Mobilitätskulturen durch kleinräumige Pilotierungen zu sammeln, aufzubereiten und an andere Stadtteile / Akteur*innen weiterzugeben. Mobilität ist dabei kein Inselthema, sondern steht in wechselseitiger Beeinflussung von unterschiedlichen Bereichen (individuelle Präferenzen, Werte, Routinen, Stadt- und Grünraumplanung, Leistbarkeit, …), die von unterschiedlichsten Akteur*innen (Verwaltung, Politik, Marketing, Zeitgeist, …) geformt werden. Diese Vielschichtigkeit ist eine Herausforderung, sie macht den Bereich aber auch spannend.

Was willst du damit bewirken? 

Das aspern.mobil LAB ist einer von vielen Akteur*innen, die einen Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilitätskultur leisten. Wenn uns das gelingt, haben wir viel geleistet. Wir wollen mit der Unterstützung von Pilotprojekten ermöglichen, dass Stadtbewohner*innen in Kontakt mit innovativen Ideen im Mobilitätsbereich kommen. Im besten Fall erleben Menschen eine Veränderung in ihrem persönlichen Mobilitätsverhaltens nicht (mehr) als Zwang und Einschränkung, sondern auch als eine Bereicherung. Etwa wenn eine Neuaufteilung von Verkehrsflächen mehr Platz für Aufenthalt und Begrünung schafft. Natürlich muss hier angebotsseitig der notwendige Rahmen geschaffen werden, nachhaltige Mobilität also verfüg- und leistbar sein.

Wie trägst du zu „deiner“ Smart Klima City bei?

Wir versuchen im aspern.mobil LAB Forschung und Wissenschaft im Alltag der Seestädter*innen sichtbar und greifbar zu machen. Ob sich jemand bei den Formaten einbringen möchte, steht natürlich jedem und jeder frei. Aber die Möglichkeit dazu soll bestehen, und zwar auf einer möglichst horizontalen Austauschebene.

Einer der Kernaspekte im aspern.mobil LAB ist die Weitergabe von Wissen. Die Mobilitätserhebung aspern Seestadt ist hier ein schönes Beispiel: seit 2019 wird Wissen zum Status Quo der unterschiedlichen Mobilitätstypen in aspern Seestadt gesammelt. Sowohl die Methodik als auch die Learnings sind auf andere Stadtgebiete Wiens übertragbar. In weiterer Folge können Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die gezielt auf die lokalen Herausforderungen eingehen.

Wenn du dir in dieser Hinsicht etwas wünschen könntest, was wäre das?

Vor dem Hintergrund der Klimakrise ist der Handlungsdruck groß. Experimente im realen Stadtraum durchzuführen wäre ein guter Weg, um das Potential von neuen Mobilitätslösungen rascher einschätzen zu können. Dabei werden Lösungsansätze in einem klar abgesteckten Bereich ausprobiert, wissenschaftlich begleitet und ein abschließendes Fazit zu deren Übertragbarkeit gezogen. Ist der Ansatz erfolgreich und kann in einen größeren Bereich übertragen werden? Oder hat er nicht funktioniert – und warum? Ich würde mir hier administrative und rechtliche Erleichterungen für den Experimentierraum wünschen.

In einigen Bereichen der Mobilitätsforschung ist die wissenschaftliche Evidenz aus meiner Sicht ausreichend hergestellt (z.B. positive Effekte von Fußgängerzonen; Notwendigkeit zur kleinräumigen Verbesserung des städtischen Mikroklimas; vielschichtige Nachteile einer MIV-subventionierenden Verkehrspolitik im urbanen Raum, …). Ich würde mir hier faktenbasierte Diskussionen wünschen und eine verantwortungsvolle, mutige Politik, die sich der Dringlichkeit der Klimakrise bewusst ist und entsprechende (Umsetzungs-)Maßnahmen setzt.

Danke für das Gespräch!

Magdalena Bürbaumer koordiniert seit Sommer 2021 das Forschungsprojekt aspern.mobil LAB in der Seestadt Aspern.