Portrait des Monats: Anpassung an den Klimawandel

Max Muhr forscht am Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik an der Universität für Bodenkultur Wien am Thema urbane Hitze aus den Perspektiven sozialer Ungleichheit und Umweltgerechtigkeit. Die auf Wien fokussierten Forschungsprojekte COOLCITY und UrbanHeatEquality verfolgen einen transdisziplinären Ansatz und setzen daher auf kontinuierlichen Austausch und Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und anderen Stakeholder*innen. An der Universität für angewandte Kunst Wien beschäftigt sich Max Muhr außerdem mit partizipativen Formaten und Methoden an der Schnittstelle Wissenschaft-Kunst-Gesellschaft.

Was verstehst du unter einer Smart Klima City?

Eine Smart Klima City muss für mich so smart sein, dass sie für alle Bürger*innen gut funktioniert – egal wie viel „smartness“ diese mitbringen. Eine Stadt der Zukunft darf daher in meinen Augen nicht notwendigerweise Affinität für Digitales oder Geschicktheit mit Verwaltungsbelangen voraussetzen. Vielmehr sollte sie auf Raum für Inklusion und Diversität auf allen Ebenen aufgebaut sein, also auch verschiedene Problemverständnisse und Lösungsansätze wertschätzen. Diese Vielfalt kann als Chance gesehen und genutzt werden und im Idealfall die Gestaltung von städtischen sozial-ökologischen Infrastrukturen inspirieren.

Was begeistert dich an deiner Arbeit und deinen Projekten? Wieso machst du das, was du tust, gerne?

Ich beschäftige mich in meiner Arbeit mit dem Thema Hitze in der Stadt und wie wir uns als Gesellschaft bestmöglich daran anpassen können. Die Hitzewellen der letzten Jahre haben sowohl in Wien als auch im Rest der Welt gezeigt, dass wir über keine abstrakte Zukunft sprechen, sondern über ein Problem, das schon jetzt Menschenleben beeinträchtigt oder sogar kostet. An der transdisziplinären Forschung begeistert mich, Maßnahmen dagegen gemeinsam mit Betroffenen und/oder Entscheidungsträger*innen aus der Praxis zu erarbeiten. Derartige soziale Innovationen entfalten vor allem dann ihre volle Wirkkraft, wenn sie von Akteurskonstellationen – beispielsweise Bürger*innen, Verwaltung und NGOs zusammen – getragen werden. Ich betreibe Wissenschaft am liebsten dann, wenn sie neben dem systemimmanenten Ziel des Erkenntnisgewinns auch solche Konstellationen und Prozesse fördert.

Was willst du damit bewirken?

Im Rahmen meines Forschungsgebiets ist es mir ein Anliegen, die Relevanz von sozialen Innovationen zu unterstreichen. Viele Anpassungsstrategien an urbane Hitze basieren auf „physischen“, also technischen, baulichen und stadtplanerischen Maßnahmen. Andere wiederum setzen auf individuelle Anpassung, zum Beispiel durch kühlende Ernährung oder richtiges Lüften. Eine weitere Dimension, die manchmal übersehen wird, sind Maßnahmen zur Steigerung des Sozialkapitals auf verschiedenen Ebenen von Wohnhäusern bis hin zu ganzen Stadtteilen. Unsere eigenen Forschungsergebnisse zeigen ebenso wie internationale Beispiele aus Paris, Chicago und anderen Städten wie wichtig beispielsweise eine vernetzte Nachbarschaft während Hitzewellen ist. Aber Sozialkapital meint auch einen guten Kommunikationsfluss zwischen Stadtverwaltung und den in verschiedenen Gruppen organisierten Bürger*innen, der besonders in solchen Extremsituationen von zentraler Bedeutung sein kann.

Wie trägst du zu „deiner“ Smart Klima City bei?

Ich bin davon überzeugt, dass der Schlüssel zu effektiver Klimawandelanpassung in einer „smarten“ Integration der verschiedenen angesprochenen Lösungsdimensionen liegt. Gegenüber der Stadt Wien versuche ich daher forschungsgeleitete Empfehlungen möglichst anschlussfähig an stadtpolitische Strategien und Ziele aufzubereiten. Angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ändern sich die Anforderungen an die Stadtverwaltung ebenso wie an die Wissenschaft. Meiner Meinung nach müssen wir also auch neue Arten der Zusammenarbeit entwickeln und erproben – dazu versuche ich, meinen Teil beizutragen. Ich halte es aber auch für enorm wichtig, dass wir uns nicht nur über unsere unterschiedlichen Rollen definieren, sondern vor allem auch als Bewohner*innen ein und derselben Stadt alle auf Augenhöhe begegnen.

 Wenn du dir in dieser Hinsicht etwas wünschen könntest, was wäre das?

Mein Wunsch ist, dass Wien es schafft, seinen ganz eigenen Weg zur klimagerechten Großstadt zu gehen – im Spannungsfeld zwischen sozialdemokratischer Tradition und neuartigen Impulsen aus allen Teilen der Welt. Diesen Weg stelle ich mir partizipativ, experimentierfreudig, bunt und mit einer entschiedenen Ausrichtung auf den Abbau von Ungleichheiten vor. Nicht unerwähnt lassen möchte ich außerdem den konsequenten Rückbau von motorisiertem Individualverkehr, denn hier hakt es im Vergleich zu vielen anderen europäischen Großstädten definitiv noch. Der Soziologe Harald Welzer war kürzlich an der BOKU zu Gast und hat dazu aufgerufen, sich die einfache Frage zu stellen, für wen oder was wir Städte kreiert haben: Autos oder Menschen? Die Antwort darauf liegt auf der Hand und ich würde mir wünschen, dass das Wiener Stadtbild diese noch deutlicher widerspiegelt.

Danke für das Gespräch!

Max Muhr forscht am Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik an der Universität für Bodenkultur Wien am Thema urbane Hitze aus den Perspektiven sozialer Ungleichheit und Umweltgerechtigkeit.